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The Headwinds - Handlung

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Zladune

27, Weiblich

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Beiträge: 1127

Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 11.09.2022 01:43

Einmal Heilerin, immer Heilerin. Wenn Nirah etwas aus der Reserve locken konnte, dann wohl wirklich nur eine Aktion wie diese. Er schaffte es gerade mal, sein Schwert wegzustecken, da hatte seine Begleiterin auch schon seinen verwundeten Arm gepackt. Begutachtete ihn finster. Notos Miene blieb hingegen gleichgültig. Für seine Verhältnisse ungewohnt ernst. Auch wenn es ihn Mühe kostete, diese Haltung zu wahren, als seine Begleiterin ihm beinahe drohend einen provisorischen Verband reichte. Am liebsten hätte er ein amüsiertes, müdes Schnaufen von sich gegeben. Das war nur ein Kratzer. Zudem war es seine Verletzung, für die er sich selbst entschieden hatte, deren Preis er gerne gewillt war zu zahlen. Das war hier war gar nichts. Er hatte bereits deutlich schlimmeres hinter sich bringen müssen.

Notos erwiderte Nirahs strengen Blick. Sah runter auf den Stoffstreifen in seiner Hand. Dann wieder zur Heilerin. Und widersetzte sich ihrem klaren Befehl, so stumm er auch war. Stattdessen ruhte seine Aufmerksamkeit allein auf ihr. Beobachtete sie still dabei, wie sich mit sich haderte. Immer wieder zum Sprechen ansetzte. Schlussendlich aber davon abließ. Er musste ihre Aura nicht sehen, um zu wissen, wie unruhig sie war.

Ihre Worte, zu denen sie sich letzten Endes durchrang, machten es nicht besser. Notos runzelte skeptisch die Stirn. Hob eine Braue fragend in die Höhe. Er durfte also auf gar keinen Fall gehen? Das... war überraschend. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. Aber warum so verzweifelt? Der Weißhaarige schloss seine Augen, atmete tief durch. Also gut, sie wünschte sich, dass er blieb. Allerdings hatte er ihr Bedingungen gestellt, die mit dieser Entscheidung einhergehen würden. Sollte sie diese nicht erfüllen können... nun, dann war es wohl beiden klar, welche Wahl er treffen würde.

Doch er gab ihr Zeit. Mit verschränkten Armen verfolgte er Nirahs nervöses Umhertigern, presste dabei schweigen die Lippen aufeinander. Oh, sie würde es auf alle Fälle noch bereuen, ihren Fuß derartig zu belasten. Aber er verstand auch ihren inneren Drang, ihre Anspannung irgendwie abbauen zu wollen. Auch wenn diese Methode momentan sicherlich nicht richtig war. Allerdings würde der Rotschopf niemals auf ihn hören, von dem her sparte er sich die Mühe. Verfolgte nur ruhig und geduldig dieses ewige Spiel, gab ihr zumindest die Chance, ihre Sprache wiederzufinden. Für eine geraume Weile war das Einzige, was sich an ihrer Situation sichtbar änderte, der kleine, blutrote Rinnsal, der von seiner Wunde seinen Arm runtersickerte.

Dann rückte die Heilerin endlich mit der Sprache raus. Initiationsritual? Wieder fiel das Wort "Wächter". Moment. Sie hatte Visionen? Er dachte, sie war eine Heilerin. Auf den Zügen des Ritters erschien eine einzigartige Mischung aus zunehmender Verwirrung und einem Hauch an Verständnis. Er erahnte vermutlich nicht mal die Hälfte davon, was es mit Nirahs Visionen, dem Zusammenhang dieser mit ihrem Ritual oder ihrem Wolf auf sich hatte. Aber er verstand genug, um zu begreifen, dass der Wolf aus Nirahs Vision unheimlich wichtig für sie sein musste. So wichtig sogar, dass sie dafür bereit war, alleine die schützende Nähe ihres Dorfes zu verlassen. Oder mitten in der Nacht auf die törichte Idee kam, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, indem sie ihr Lager verließ und einfach ohne ihn davonstürmte. In gewisser Weise verstand er sie zu gut.

Notos hatte sichtlich mit all den neuen Informationen zu kämpfen. Er schloss die Augen, versuchte eine Struktur zu finden, Ansatzpunkte, irgendetwas, was ihm dabei helfen konnte, sich einen Reim aus allem zu machen. Als Nirah endlich zum Abschluss kam, war sein Kopf derart verwoben in einem Netz seiner eigenen Gedanken, dass er ausgerechnet die wohl kleinste Ungereimtheit in dieser ganzen Geschichte herauspickte. „Nein. Nein, ich fürchte ich verstehe leider gar nichts mehr.", antwortete er nonchalant. Dabei schwang in seiner Stimme unüberhörbar eine dezente Überforderung. „Aber wer bist du, wenn du deinen eigenen Namen wählen darfst?" Nie ihm Leben war sie aus einer so mächtigen Familie... oder doch? Aber reintheoretisch durften nicht mal die Herrscher...

 

Diesmal war es Notos, der Zeit für sich brauchte. Kurz überlegte er, wieder zu seiner Waffe zu greifen und abermals seine monotonen Übungen zu vollführen. Das half ihm immer zur Ruhe zu kommen. Aber das pulsierende Pochen an seiner Seite erinnerte ihn mit Nachdruck daran, dass es so kurz nach seiner Vorführung keine gute Idee war. Also tat er das, was er sonst immer tat, wenn er Nachdenken musste – er setzte sich aufrecht auf den Boden, kreuzte die Beine und legte seine Hände auf die Knie. Schloss abermals die Augen. Und konzertierte sich für eine geraume Weile nur auf seine Atmung. Eher nebenbei, als wäre er sich dessen überhaupt nicht bewusst, spielte er mit dem provisorischen Stoffverband. Wickelte diesen um seine Hand, nur um ihn danach wieder zu entfernen und das ganze von vorne zu beginnen. In seinem Kopf sah es nicht unähnlich aus. Immer wieder griff er Gedanken auf, versuchte diese zu logischen Schlüssen zu verspinnen, nur um es doch als Unsinn abzustempeln.

Nach einem langen Moment des Schweigens, klopfte er bedächtig neben sich auf den Boden. Auffordernd, als würde er dazu einladen, sich neben ihn zu setzen. Dachte dabei weiterhin angestrengt nach, wenngleich seine angespanntere Haltung inzwischen in eine ruhige übergegangen war. Initiationsritus... also hatten sie hier doch Rituale und Prüfungen! Aber der Rest war verkehrt. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprach. Natürlich waren die Pfade von Kriegern, Handwerkern und Wächtern eindeutig gelegt. Wofür sonst gab es die so gründlich ausgedachten Strukturen der Gilden und Orden? Jeder kannte die Prüfungen, die er ablegen musste. Selbstverständlich waren diese gegen Ende für jede Person recht individuell... aber immer noch klar definiert. Niemand wurde hinsichtlich seiner Zukunft völlig im Dunkeln oder allein gelassen. Und sowieso... Visionen. Diese standen Priestern zu. Seine Schwester hatte nie davon gesprochen, dass Heiler normalerweise solche Fähigkeiten besaßen. Aber Nirah hier war nie und nimmer ein Wächter der Krone. Dafür würde er seine Hand ins Feuer legen.

Ein dumpfer Ton war zu hören, als sich Notos frustriert auf den Boden fallen ließ, die Hände aufs Gesicht gelegt. „Das alles macht einfach keinen Sinn...", kam es von ihm leise flüsternd. Tonlos. Aus Nirahs vorgeschlagener Verbindung zwischen ihm und ihren Wolf wurde er erst recht nicht schlau. Warum in aller Welt sollte ausgerechnet er etwas mit ihren Visionen oder Prüfungen zu tun haben? Er war doch nur... Federn streiften seine Wange. Notos schlug die Augen auf, drehte sich etwas zur Seite – und schmunzelte.

Jasper hatte die Einladung seines Partners von Anfang an angenommen, hatte sich neben ihn gesetzt und bewegungslos angestarrt. Als der Weißhaarige so plötzlich umgekippt war, hat der kleine Drache erst erschrocken einen Satz nach hinten gemacht. Dann den Kopf schief gelegt. Und es ihm schließlich einfach nachgetan. Nun lag er neben ihm, die Flügel auf dem Boden ausgebreitet und alle vier Pfoten von sich nach oben gestreckt. „Jasper du Idiot". Notos lachte leise in sich hinein und griff nach seinem Federbündel. „Du wirst dir so nur wieder die Schwingen verrenken." Jasper wehrte sich nicht, als sein Partner ihn hochhob und in die Luft hielt, flatterte stattdessen freudig mit den Flügeln. Als wolle er ihm das Gegenteil beweisen und zeigen, dass er sofort losfliegen könnte. Der Weißhaarige blieb dabei weiterhin schmunzelnd liegen, betrachtete seinen Partner mit einem gutmütigen, warmen Blick, bevor dieser an ihm vorbeiglitt. Zu den dichten, grünen Baumwipfeln, durch die nur stellenweise ein wenig Blau zu erhaschen war. Unwillkürlich erfasste ihn eine stille Wehmut. Er konnte es nicht wirklich begründen. Aber... der Himmel wirkte sonderbar leer. War es die fehlende Präsenz der Drachen?... Auf einmal schien sein Zuhause unendlich weit entfernt.

Notos starrte noch eine ganze Weile schweigend ins Nichts, ehe er sich mit einem Ruck aufsetzte – eine Bewegung, die ihm seine Seite nicht gänzlich verzieh. „Nirah..." begann er bedächtig. „Ich würde dir ja gerne helfen, glaub mir. Ich mag rätselhafte Fälle wie diese. Aber ich kann nicht lange bleiben. Ich muss recht bald wieder aufbrechen." Für einen Moment ruhte sein Blick auf seiner rothaarigen Begleiterin. So sehr es ihn auch reizte alles über diesen seltsamen Ort und seine kuriose Heilerin mit ihren noch kurioseren Kräften zu erfahren, so sehr drängte es ihn wieder zurück. Zu seiner Familie, seinen Freunden, seinen Kollegen. Wenn er für ein paar Tage verschwand, war es mitnichten etwas Sonderbares bei ihm. Aber sollte er hier für eine längere Zeit festsitzen, würde sein Orden nicht umhinkommen, ihn als vermisst und später tot zu melden. Und allein der Gedanke an letzteres bescherte ihm größere Sorgen, als er sich eingestehen wollte. Er musste dringend herausfinden, warum Jasper Probleme damit hatte, sich zu wandeln.

Andererseits... Nirahs Verzweiflung haftete noch sehr lebendig in seinen Erinnerungen. Notos gab ein tiefes Seufzen von sich: „Vielleicht würde es helfen, wenn du zur Ruhe kommst? Und wenn du genauer werden könntest mit... so ziemlich allem? Was ist die Aufgabe deiner Prüfung? Hat es etwas mit deiner Heilfähigkeit zu tun oder mit deinen... Wächter-Aufgaben?" Er kam nicht umhin, das Wort "Wächter" mit einem Hauch von Skepsis auszusprechen. Oder war es simples Unverständnis? Sie war niemals eine von den Wächtern, die er kannte. Frage war nur: Was war sie dann?



Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.07.2023 19:22.

Saphyr

26, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 09.09.2022 17:36

Ihre Füße trugen sie so schnell wie sie wagte zu laufen. Was leider deutlich zu langsam war. Trotzdem pochte ihr Bein bei jedem Schritt protestierend. Sie ignorierte es mit zusammengebissenen Zähnen genauso wie die Eingebung, dass sie sich damit keinen Gefallen tat. Sie könnte sich später um ihre Genesung kümmern. Für den Moment war es wichtiger, hier wegzukommen. Alleine sein. Ja, das half immer. Einen klaren Kopf bekommen. Danach könnte sie sich mit Notos auseinandersetzen, sich der Frage stellen, wie sie mit der neuen Erkenntnis umgehen sollte. 

Nirah hatte ihn nicht näher kommen hören. Eigentlich hatte sie gar nichts gehört, außer das Rauschen in ihren Ohren. Sie zuckte zusammen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und blieb abrupt stehen. Fass mich nicht an! Das wollte sie zumindest sagen, aber sie blieb einfach nur starr und brachte kein Wort heraus. Wieso lief er ihr hinterher? Konnte er nicht sehen, dass sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte? Und zwar so lange, bis sie wusste, was sie tun sollte. Du hast sowieso keine Wahl, flüsterte es leise. Warum so tun als ob?
Notos Gestalt schob sich vor sie. Oh doch, sie konnte sehr wohl kommentarlos verschwinden und ihn zurücklassen. Vergessen, dass sie ihn jemals getroffen hatte. Und niemals deine Ausbildung abschließen. Nein, sie musste zugeben, sie hatte noch nicht vor, ihn ganz loszuwerden. Nicht, bis sie einmal ausführlich darüber nachgedacht hatte. 

Diese schicksalsbehafteten Augen schienen sich geradewegs in ihr Innerstes zu brennen. Nirah wich ihnen aus. Wie sollte sie denn jemals erklären, was gerade in ihr vorging?
"Das ..." setzte sie an. ... geht dich gar nichts an. 
Sie kam nicht mehr dazu, es auszusprechen, denn Notos nahm ihr ausnahmsweise einmal die Antwort vorweg. Nirah machte zwei langsame Schritte zur Seite, versuchte ihn zu umrunden, um an ihm vorbeizukommen und ihre Flucht fortzusetzen. 

Sie hielt sofort wieder inne, als er selbst zurückging und sein Schwert zog. Nirah verkrampfte sich für eine Sekunde, darauf gefasst, er würde sie nun doch aus dem Nichts heraus angreifen. Aber er tat nichts dergleichen. Verständnislos beobachtete sie, wie er seine Hand über die Waffe hielt und sich eine blaue Schicht über die Stelle legte. Wie er die Klinge an seinen Arm hielt und ... Plötzlich wurde ihr klar, was er im Begriff war zu tun. "Nein, tu das ..." Nicht.
Zu spät.

Seine Tat riss Nirah aus ihrer verbissenen Verschwiegenheit. "Was in aller Welt, Notos?!" fuhr sie ihn an. "Wieso machst du so etwas?" 
Sie packte sein Handgelenk und zog seinen Arm zu sich, um die Schnittwunde betrachten zu können. Ließ ihn sofort wieder los. "Jetzt müssen wir das auch noch behandeln", murmelte sie und fing an, fahrig in ihrem Beutel zu kramen. Sie zog ein längliches Stück Stoff hervor, welches ausgefranste Ränder hatte und einmal Teil eines Kleidungsstückes gewesen war. Sie schenkte Notos einen düsteren Blick und drückte ihm den Fetzen in die Hand. Forderte ihn wortlos auf, es wenigstens vorerst zu verbinden.
Nur am Rande ihres Bewusstseins analysierte sie, was gerade geschehen war. Er hatte eindeutig Magie angewandt. Eine Art, die sie nicht einordnen konnte. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, auf welche Weise man so etwas bewerkstelligen sollte. Genau wie bei den Blitzen. Der Schnitt, der zurückblieb, sah ... unnatürlich aus. Es gab kein anderes Wort dafür. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, wie daraus eine Verletzung werden sollte wie die, die sie gestern an ihm gesehen hatte. Das hieß zwangsläufig, dass es andere gab, die dies beherrschten und ihn damit angegriffen hatten ...

Seinen Dank und alles was danach kam, überhörte sie beinahe. Wenn es nicht so endgültig geklungen hätte. Wieder einmal starrte Nirah ihn an. Was sollte diese lächerliche Verbeugung überhaupt?
Sie riss die Augen auf, als sie begriff, dass er sich gerade verabschiedete. Je länger er sprach, desto deutlicher kehrte die rastlose Unruhe zurück, die sie auch vorhin schon bei seinem Rückzug empfunden hatte. Würde er sich jeden Moment wegdrehen und sich in Luft auflösen?
Wie entscheidest du dich? Das war eine gute Frage. Nirah haderte mit sich. Sie holte tief Luft, setzte zum Sprechen an. Aber hatte keine Worte parat. Sie schwieg noch ein bisschen länger. Schließlich entschieden sich ihre Beine zum ersten Schritt zurück. Gleichzeitig entwickelte ihr Mundwerk ein Eigenleben und sie hielt sofort wieder an.
"Du darfst nicht weggehen. Auf gar keinen Fall. Hörst du? Ich muss nur ... nachdenken." Ihre Stimme hatte wieder den verzweifelten Unterton angenommen. 

Nirah wandte sich ab, sodass er nicht ihr Gesicht sehen konnte. Sie machte ein paar Schritte, immer noch mit dem starken Drang zu fliehen. Aber sie hielt sich zurück und lief nur unruhig auf und ab. Nachdenken. Jetzt. Sie brauchte eine Weile, bis sie es schaffte, sich zu einer Erklärung durchzuringen. Aber in ihr schwelte die Angst, dass Notos abhauen würde und ihr damit die Chance nahm, selbst zu entscheiden, ob sie ihn loshaben wollte oder nicht. Es widerstrebte ihr dennoch zutiefst. Doch andererseits hatte er ihr auch eine Information geliefert, obwohl sie noch nicht wusste, was sie damit anfangen sollte.

"Es hat mit meinem Initiationsritual zu tun." sprach sie vor sich hin, ohne Notos auch nur anzusehen. "Die Pfade der Wächter sind nicht so eindeutig, wie die der Krieger und Handwerker. Ich wusste damals nicht, was meine Vision bedeuten soll, aber ich habe dennoch den Namen Wolfsauge gewählt. Es war ein Wolf mit leuchtenden, eisblauen Augen." meinte sie, als würde das alles erklären. Sie machte eine kurze Pause. "Gestern hatte ich zum ersten Mal seit Jahren diese Vision, heute wieder ... und ... Ich dachte es geht nur um den Wolf, der mich gestern in deine Nähe gelockt hat. Sonst hätte ich dich nie gefunden. Ich wollte gar nicht so weit vom Dorf weggehen. Derselbe Wolf, weshalb ich gestern Nacht aus dem Lager gegangen bin. ... Aber jetzt ..." 
Sie lief weiterhin unentwegt im Kreis. Irgendwann blieb sie stehen, um Notos einen gequälten Blick zuzuwerfen. 

"Deine Augen. Sie haben die gleiche Farbe." flüsterte sie. "Exakt gleich. Verstehst du?" Dann nahm sie ihre Wanderung wieder auf. 


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Antworten Zuletzt bearbeitet am 09.09.2022 17:39.

Zladune

27, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 08.09.2022 20:52

Nirah reagierte nicht auf seine Worte. Weder auf seinen als Witz formulierten Ablenkungsversuch noch auf ihren Namen. Zumindest nicht gleich. Als sie es jedoch tat, wäre es ihm fast lieber gewesen, wenn sie ihn weiterhin wortlos angestarrt hätte.

Sein Kopf schien ihn vor einer Gefahr warnen zu wollen, die er nicht sehen, nicht anerkennen wollte. Dennoch tätigte Notos einen weiteren vorsichtigen Schritt nach hinten, als die Heilerin leicht nach vorne trat, sich ihrer Aktionen allem Anschein nach überhaupt nicht bewusst. Zu einem weiteren Schritt kam der Weißhaarige nicht. Nicht, bleib stehen! Sofort hielt Notos inne, stocksteif, wie vom Donner gerührt. Als würde sich jede Faser seines Körpers dagegen wehren, diesen Befehl nicht zu befolgen. Aber diese Stimme. Diese Vehemenz. Diese Verzweiflung. War... war das gerade wirklich Nirah gewesen? Oder...

Etwas blitzte in den Augen der Heilerin auf. Für einen winzigen Moment registrierte er diesen Wandel mit Erleichterung. Schließlich schien sich seine Begleiterin endlich aus ihrem seltsamen Zustand gerissen zu haben. Dann jedoch richtete sie ihren Fokus geradewegs auf ihn. Notos schluckte befangen, rührte sich jedoch nicht von der Stelle, als Nirah auf ihn zuging. Energisch. Zielbewusst. Hatte er anfangs ihrem scharfen Blick noch standgehalten, so versuchte er seinen Kopf nun abzuwenden. Überall hinzuschauen, nur nicht auf die roten Haare und auf das Gesicht, welches sie wie Flammen umrahmten.

Doch die Heilerin gab ihm keine Chance. Sie kam ihm nahe, viel zu nahe, hob ihre Hand an. Aus purer Gewohnheit ließ er den Kopf etwas zwischen die Schultern sinken und hielt still, als müsse er sich vor etwas schützen. Doch die Rothaarige packte nur sein Kinn, zwang ihn somit dazu, nicht mehr seinen Blick abzuwenden und ihr direkt in die Augen zu schauen. Eine Geste, die unter anderen Umständen etwas sehr Vertrautes an sich haben könnte – wäre da nicht diese Härte und Verbissenheit, mit welcher sie vollführt wurde.

Notos hatte das Gefühl, dass sein Herz ein paar Takte aussetzte, dann wieder zu schnell zu schlagen begann und ins Stolpern geriet. Als könne es sich nicht entscheiden, ob er zum Kampf oder zur Flucht greifen sollte. Also wählte er keine der beiden Möglichkeiten, blieb stattdessen einfach angewurzelt auf der Stelle stehen, keine halbe Armlänge von seiner Begleiterin entfernt, und ließ alles wortlos geschehen. Wagte es dabei sogar, den Blickkontakt wieder aufzunehmen, beobachtete Nirah genaustens. Mit der Zeit übermannte ihn wieder ein Teil seiner Ruhe. Die Heilerin sah so aus... als wäre sie auf der Suche? Es fühlte sich mehr an wie eine Inspektion an als alles andere. Wenngleich sie ein ungewohntes Zielobjekt ausgesucht hatte. Ging.... Ging es um seine Augen? Weil er wieder sehen konnte? Aber weshalb dann gleich solch eine intensive Reaktion? Sie wirkte beinahe wie besessen.

In den Weißhaarigen kam erst wieder Leben, als sich der Druck auf seiner Haut verstärkte und sich in diese Fingernägel wie Krallen bohrten. Mit ernster Miene verzog er das Gesicht, griff nach ihrem Handgelenk, redete dabei bestimmt auf sie ein: „Nirah? Nirah!" Mit einem Mal kam die junge Frau wieder zu sich, ließ urplötzlich von ihm ab, doch immer noch sichtlich durch den Wind. Nach ihrer Entschuldigung runzelte er nur noch besorgter die Stirn – da schnappte sie sich bereits auch schon ihre Pfeile, drehte sich um und ging einfach.

Notos sah ihr aus allen Wolken gefallen nach. Wendete sich dann völlig perplex zu seinem Partner, welcher sich lautlos näher angeschlichen hatte und nun verwirrt den Kopf schief hielt. Er und Jasper tauschten einen verdatterten Blick, bevor er diesen voller Unverständnis wieder auf seine Begleiterin richtete. Was war gerade eben in sie gefahren? Sie wirkte sichtlich aufgebracht. Lass sie gehen, wisperte ihm eine leise, bekannte Stimme zu. Ja. Vielleicht war es keine schlechte Idee. Sie sah aus, als müsse sie erstmal in Ruhe ihre Gedanken ordnen. Es schien ihr ja wie unschwer erkennbar klar zu missfallen, dass er blaue Augen hatte. Oder... Wäre es besser, wenn er derjenige wäre, der Abstand zu ihr nimmt? Wieder ertönte die Stimme, diesmal mit mehr Nachdruck. Lass sie gehen. ...Nun, er wäre jetzt auf jeden Fall dazu in der Lage, von selbst zu verschwinden. Dass die Heilerin ihn nie sonderlich mochte, hatte sie ihm ja von Anfang an klar mitgeteilt. Aber der Blick, den sie ihm am Schluss zugeworfen hatte.... Es grenzte fast an pure Verabscheuung. Der Weißhaarige drehte sich langsam um, senkte erst im allerletzten Moment den Kopf. Wenn das ihre wahren Gefühle zu ihm waren.... dann würde er ihr die Last abnehmen, sich weiterhin in seiner Nähe aufzuhalten. Lass sie gehen. Ein schwermütiges Seufzen erklang. Ein kurzes Hadern. Und Notos setzte sich in Bewegung.

Die Lichtung wurde von Geräuschen von zwei paar Stiefeln, die auf erdigem Untergrund traten, erfüllt. Dann brach dieser Klang abrupt ab, bevor die Stille wieder von eiligen Schritten abgelöst wurde. „Nirah!", ertönte es atemlos. Dann etwas gefasster: „Was ist los?" Notos kam einen Tick zu hektisch atmend neben der rothaarigen Frau zum Stehen. Eine Hand fasste so bestimmt wie vorsichtig nach der Schulter der Heilerin. Eine beruhigend gemeinte Geste, ihm so vertraut, öfter vollbracht, als er zählen konnte. Und doch zog er seine Hand nach einer Weile sofort wieder weg, kaum dass ihm bewusst wurde, zu was er gerade eben angesetzt hatte. Als hätte er sich an der flammenden Aura wirklich verbrannt.

Stattdessen stellte er sich nun endgültig vor seine Begleiterin. Aufrichtige Sorge spiegelte sich neben Verwirrung in seiner Miene. „Du kannst nicht so etwas wie gerade eben machen und dann einfach kommentarlos verschwinden. Was ist passiert?" Beschwichtigende Worte. Er sah ihr direkt in die Augen – und seine gerade gesammelte Entschlossenheit verrauchte bei dem Anblick von Zwist in ihren Zügen. Vielleicht war das doch eine dämliche Idee gewesen...

Dieses Mal war es er, der sich entnervt die Nasenwurzel rieb: „Weiß du was? Vergiss es. Ich muss es nicht wissen." Die Augen geschlossen, griff er zu seinem Schwert, zog es abermals an diesem Tag aus der Scheide. Zeitgleich trat er jedoch noch einen Schritt nach hinten, wendete sich geradezu von Nirah ab. Die freie Hand lag für einen Moment knapp über der Klinge schwebend in der Luft. Kaum wahrnehmbar erklang ein dumpfer, vibrierender Ton, bevor Notos seine Hand wegnahm. An der Stelle, an welcher sich diese befunden hatte, hatte der Stahl eine tiefe, dunkelblaue Farbe angenommen. Beinahe Indigoblau. Die Farbe haftete geradezu an der Klinge, wie ein dünner Film aus Öl. Und ähnlich wie bei Öl zogen sich Schlieren durch die Schicht, Streifen aus sattem, dunklen Violett.

Notos krempelte seinen Ärmel hoch, hob die Waffe an, drückte die scharfe Klinge leicht in seine Haut – und vollführte eine einzige, ruckartige Bewegung. Ohne die Miene zu verziehen steckte er das Schwert wieder ein und drehte seinen Unterarm schließlich so zu der Heilerin, dass sie diesen gut sehen konnte. Aus einer kleinen Schnittwunde rann ein wenig Blut herab. Die Ränder der Verletzung wiesen einen klaren, dunkelvioletten Stich auf, welcher sich mit dem satten Rot des Blutes vermischte. Fast machte es den Eindruck, als würde diese Verfärbung leben, sich geradezu in das Innere der Wunde ziehen. Die Haut ringsum nahm langsam, aber sicher einen aschfahlen Ton an.

„Ich habe versprochen zu zeigen, wie meine Wunde entstanden ist. Damit habe ich das absolute Minimum unserer Vereinbarung erfüllt." Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren ungewohnt ernst und verspannt. Er gab jedoch sein Bestes, sich das aufkeimende Brennen an seinem Arm nicht anmerken zu lassen. Versuchte sich abzulenken, indem er eine Hand so stark zur Faust ballte, bis die Knöchel weiß hervortraten. Schließlich wusste er, dass es nur von kurzer Dauer war. Sein Körper konnte seine eigene Magie besser abbauen. Mehr mit nahm ihm da eher das großflächiger angelegte, schmerzhafte Pulsieren an seiner Seite. Den instinktiven Handgriff auf die ältere Wunde vertuschte er mit einer angedeuteten Verbeugung: „Danke für deine Hilfe. Sowohl für den gesamten Abend..." Der Ritter haderte nicht lange. Jetzt, da der Morgen angebrochen war und sie ihre Verletzung auf jeden Fall gut überstehen würde, hatte er keinen Grund, es länger hinauszuzögern. „Als auch natürlich während dem gestrigen Kampf."

Notos öffnete wieder die Augen, war erleichtert, dass er immer noch alles sehen konnte, und hob erneut den Blick an, wenngleich er die Rothaarige nicht direkt anzusehen wagte: „Aber damit wären wir wohl quitt. Ich finde mich ab jetzt wieder alleine zurecht und traue es dir voll und ganz zu, dass du die Fähigkeiten besitzt, selber wohlbehalten zu deinem Dorf zurückzukehren." Nun, letzteres vielleicht nicht ganz. Vermutlich würde er sicherheitshalber Jasper schicken, um auf sie aufzupassen. Ein kleiner Moment der Stille entstand, ehe der Weißhaarige einfach mit der Sprache rausrückte: „Ich könnte somit gehen, wenn dir das lieber wäre." Natürlich wäre es ihr lieber, was erwartest du?, wisperte wieder die spottende Stimme. Er ignorierte sie erneut. „Oder ich könnte fürs Erste wie geplant bleiben. Aber wenn ich das tun soll, dann rede mit mir, Nirah. Ich bin nicht bereit zu bleiben, wenn du solche Aktionen wie gerade eben vollführst oder mich unentwegt.... so ansieht." Er versuchte seine fehlenden Worte mit einer passenden Handbewegung zu ersetzen.

 

„Also? Wie entscheidest du dich?" Donnerschwinge meldet sich zum Dienst, stichelte die Stimme, sobald ihm selber klar wurde, was er von der Heilerin hören wollte: „Ich erwarte deine Anweisung."



Antworten Zuletzt bearbeitet am 09.09.2022 00:20.

Saphyr

26, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 07.09.2022 15:12

Nirah legte den Kopf schief und antwortete nicht. Wollte er wissen, wie es um ihr Bein bestellt war? Dann war die Antwort, es würde heilen. Im Ruhezustand waren die Schmerzen erträglich. Laufen konnte sie auch. Sie musste nicht zum Dorf getragen werden. Das war doch etwas. Die Erinnerung an ihren Beinahe-Zusammenbruch zuckte durch ihre Gedanken und sie verzog das Gesicht. Es würde etwas Zeit brauchen, bis nichts mehr zu sehen war, aber nicht sehr lange, bis es sie nicht mehr einschränkte. Sie hatte in ihrem Leben schon schlimmere Dinge gesehen. Allerdings würde sie bald schon den Verband abnehmen müssen, um der Wunde weitere Behandlung zukommen zu lassen. Zu Hause könnte sie eine frische Kräuterpaste herstellen, die Entzündungen hemmte und die Heilung beschleunigte.
Vielleicht wollte er auch wissen, ob sie sich nach dem langen Schlaf ausgeruht fühlte. Das war allerdings etwas, das er sich selbst denken konnte. Natürlich hatte die Ruhe kleine Wunder gewirkt. Dafür gesellte sich nun langsam aber sicher der Hunger in die Reihe der vielen Unannehmlichkeiten, bei denen Notos unangefochten an der Spitze stand. Sie hatte gestern schon vor Beginn der Jagd nur ein kleines Mahl zu sich genommen und das Fleisch war ihnen ja geraubt worden. Und wenn man gerade beim Thema war ... sollte sich Notos nach ihrem Geisteszustand erkundigen wollen, dann ... Das wusste sie selbst noch nicht.
Also tat sie die Frage nach langem Zögern mit einem "Beeil dich einfach, Donnerschwinge." ab.

Sie beobachtete, wie der Mann zu dem toten Monster ging. Im Tageslicht konnte sie auch endlich seine tatsächliche Fellfarbe erkennen. Gestern war es regelrecht mit dem Wald verschmolzen. Sie fragte sich immer noch, wie dieses es geschafft hatte, sich so vollkommen unbemerkt anzuschleichen. Zugegeben, sie war abgelenkt gewesen. Allerdings hatte das Untier deutlich größere Kontrolle über die Magie gehabt, als ihr lieb war. Es blieb zu hoffen, dass solche Wesen in Zukunft weiterhin einen großen Bogen um alle Dörfer machten.

Erst jetzt erkannte sie, wozu Notos den Umweg gemacht hatte. Er trug ihre Pfeile in den Armen. Nirah dachte an die drei, die noch in der Höhle lagen. Zusammen mit ihrem Bogen. Sie hatte sie unbedingt haben wollen. Dabei war sie nicht von einem weiteren Angriff ausgegangen. Nur ohne ihre Pfeile war ihr Bogen nicht zu gebrauchen und sie fühlte sich angreifbar. Schutzlos. Unruhig.
Erstaunlich, wie wichtig solch eine Kleinigkeit sein konnte. Dass Notos so geistesgegenwärtig gewesen war und sich um ihre wertvolle Munition gekümmert hatte ... Das hätte er nicht tun müssen. Sie hätte sie auch selbst aus dem Monster ziehen und aufsammeln können. Nirah verscheuchte die aufkeimende Dankbarkeit wie eine lästige Fliege. Sie hatte diesem Mann schon eindeutig viel zu viel zugestanden. Sie hatte ihm Hilfe angeboten, hatte sich dann trotzdem von ihm das Leben retten lassen, war drauf und dran gewesen, in seine Arme zu springen, nur um nicht mehr laufen zu müssen, hatte zugelassen, dass er ihre Wunde versorgte, obwohl sie hier die Heilerin war ... Und jetzt kümmerte er sich schon um ihre wichtigsten Habseligkeiten? Um ihr einen Gefallen zu tun, oder wie? Das war zu viel des Guten.
Es gab Grenzen. Für Nirahs Geschmack befanden diese sich in einem großflächigen Umkreis von mehreren hunderten Schritten um sie herum. 

Trotz allem wanderte ihr Blick zu dem Zahn an ihrem Gürtel. Eigentlich hätte jeder einen haben können, wenn sie den anderen nicht verloren hätte. Ärgerlich. Vielleicht sollte sie ihm die verbleibende Trophäe geben. Der Gedanke widerstrebte ihr zutiefst und doch war er plötzlich nicht mehr loszuwerden. Später, entschied sie. Sie könnte noch darüber nachdenken, bis sich ihre Wege trennten. Was spätestens am Ende dieses Tages der Fall sein würde. Es sollte nicht allzu lange dauern, das Dorf zu erreichen, wenn sie sich einmal in Bewegung gesetzt hätten. Je nachdem, wie schnell sich Notos dieses Mal durch das Gestrüpp schlug. Immerhin lief sie jetzt nicht mehr Gefahr, ihm ohne Halt davonzueilen. Sie würde selbst etwas langsamer gehen müssen. Und dann würde sie ihn beim Ältesten abladen und in ihrer Hütte verschwinden. Ein guter Plan. 

Du bist genauso einzigartig, wie ich es mir gedacht habe. 

Nirahs Kopf schnellte bei Notos' Worten nach oben, bereit, ihn scharf anzufauchen. Inzwischen stand er vor ihr. Was sollte das denn nun wieder?! Versuchte er mit voller Absicht ihren Unmut herauszufordern? 
Sie sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an, er sah mit seinem immerwährenden Lächeln zurück. Moment. Er sah sie an. Nicht wie sonst aus völlig trüben Augen, sodass sie sich stets fragte, wohin diese sich richten mochten. Nein, sie waren von einem klaren, eiskalten blau. 
Sie schnappte nach Luft. Vermutlich wäre berechtigte Überraschung das vorherrschende Gefühl, das sie empfinden sollte, obgleich der unerwarteten Veränderung. Doch ihr Körper verkrampfte sich in echtem Schock. 

Alles um Nirah herum verschwand. Das dunkle Grün der Bäume, das tote Wesen im Hintergrund. Selbst Notos Gestalt, die vor ihr aufragte, verschwamm. Sie sah nur die stechenden Augen. Für einige Zeit glaubte sie sich in ihren Traum der letzten Nacht zurückversetzt. Hörte nichts mehr, sah nichts mehr anderes. Sie konnte nichts weiter tun, als zurückzustarren. Bewegungsunfähig, zu nichts anderem in der Lage, als auf ein weiteres Zeichen zu hoffen.
Plötzlich entfernten sich die Augen. Wollten wieder entgleiten, wie die Male davor. Nicht, bleib stehen, schrie eine Stimme in ihrem Inneren. Sie verschwinden, sie verschwinden! 

Es war Notos Rückzug und die damit einhergehende Verzweiflung, die in ihr aufstieg, die sie dazu befähigte, einen Schritt nach vorne zu machen. Sie war nicht gefangen in ihrem Traum. Sie konnte sich bewegen. Und die Augen gehörten weder einem Wolf noch der undurchdringlichen Dunkelheit. Sondern dem Fremden.
Unmöglich! Das war Einbildung, oder nicht?
Nirahs Sicht stellte sich wieder scharf und sie ging weiter auf Notos zu. Dabei fixierte sie weiterhin seine Augen, ließ sie keine Sekunde unbeobachtet. Sie kam so nahe, dass sie nach oben schauen musste.
Fast grob umfasste sie sein Kinn, um seinen Kopf nach unten zu neigen, damit sie einen es leichter hatte, sich das Ganze aus der Nähe anzusehen. Langsam drehte sie ihn einmal nach rechts, einmal nach links. Das Weiß seiner Blindheit wollte nicht zurückkehren. 

Wieso nicht, verdammt?
Mit einem Mal strömte es auf Nirah ein, was es bedeuten mochte, wenn das alles real war. Das Zeichen, auf das sie so lange gewartet hatte, stand mit Leib und Seele direkt vor ihrer Nase. Und was war mit dem Wolf? Hatte er sie etwa absichtlich zu dem Mann geleitet, weil ... Weil was? Es würde alles Sinn ergeben. Überhaupt, wie hoch war die Chance, dass sie mitten in den Wäldern jemandem begegnete, dem ihre Bräuche völlig fremd zu sein schienen. Wieso sollte in aller Welt ausgerechnet er, derjenige sein, der ihren Pfad auf dem Weg zur Wächterin kreuzte. Schicksal, flüsterte die gehässige Stimme. Als würde sie sich daran ergötzen, dass sie ... 

Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie ihrem Begleiter gerade die Fingernägel in die Haut bohrte. Unvermittelt ließ sie Hand fallen, fuhr sich damit stattdessen durch die Haare und massierte dann die Stelle zwischen ihren Augen, als hätte sie Kopfschmerzen. "Entschuldige", murmelte sie tonlos. "Du hast ... du bist ... Ich meine ..."
Es wollte einfach nichts Sinnvolles aus ihrem Mund kommen. "Deine Augen. Sind blau." erklärte sie schließlich sehr aufschlussreich. Sah ihn noch kurz stumm an, unsicher wie sie reagieren sollte. Dann zog sie ihm die Pfeile aus den Händen und setzte zur Flucht an. Zur Höhle, den Bogen holen. Und dann? Das wusste sie auch noch nicht. Nur weg von ihm. Sie brauchte Luft zum Atmen. Kaltes Wasser in ihrem Gesicht. Irgendetwas!
Sicher, sie hatte ein Zeichen gewollt. Aber nicht so eines. Nicht ihn. Ihretwegen konnte ein ganzes Rudel an Wölfen sie verfolgen, wenn sie dadurch nicht an ihn gebunden wäre. Wenn dadurch nicht ihr Weg mit seinem verwoben war. Nein, nein, nein. Vielleicht deutete sie das Ganze falsch. Vielleicht war es ein großer Zufall. Niemals, antwortete ihr die Stimme. 


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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 05.09.2022 20:41

Notos erwachte, kaum dass die ersten schwachen Sonnenstrahlen ihren Weg durch die dichten Blätterkronen zum Höhleneingang fanden. Sofort verzog er noch im halbwachen Zustand missmutig sein Gesicht. Er hatte viel zu wenig geschlafen. Der unterschwellige Druck auf seinen Schläfen signalisierte ihm das nur allzu deutlich. Benommen schüttelte er ein wenig den Kopf. Sah in das Innere der Höhle, betrachtete die schattenhaften Konturen der im Halbdunkeln liegenden Person. Senkte seine Aufmerksamkeit auf einen müde wirkenden Jasper auf seinem Schoss, der sich streckte und ein herzhaftes Gähnen von sich gab. Und stutzte.

Moment.

Er konnte sehen.

Perplex blinzelnd huschte sein Blick über das Innere der Höhle, die Asche und darunter verborgene Glut am Feuerplatz, dann auf die Vielfalt an verschiedensten Grüntönen außerhalb, am Waldrand. Blinzelte erneut, die Hoffnung hegend, dass er damit die leicht verschwommenen Konturen von allem verschärfen konnte. Auch wenn er nach all den Jahren seine Lektion schon längst gelernt haben sollte. Es war doch immer wieder verwunderlich, wie befremdlich ihm der Übergang zwischen den Stufen seines Sehvermögens noch vorkam. Als wäre das heute der erste Tag, an dem er aus seiner Blindheit erwachte.

Und wie immer erfüllte ihn auch diesen Morgen eine freudige, innere Unruhe, kaum dass diese Information wirklich zu ihm durchsickerte. Vielleicht war sie sogar stärker als üblich. Er würde endlich sehen können, wo er überhaupt gelandet war. Mit etwas Glück konnte er heute endlich abschätzen, in welchem Gebiet des äußeren Ringes er sich befand und wie tief er bei seinem Absturz gefallen war. Oh. Oh! Er würde sich endlich nicht mehr durch jedes verdammte dornige Gestrüpp kämpfen müssen! Oder aufpassen müssen, dass er nicht gegen irgendeinen Baum stieß. Oder Acht darauf geben, dass er seinen Kopf nicht gegen einen Ast donnerte. DAS war nervtötend gewesen. Mit einem erleichterten Aufseufzen lehnte er sich stumm lächelnd an die Höhlenwand. Und er würde endlich... sein Blick schweifte zur der schlafenden Gestalt, versteckt im Schatten ihres Lagers. ...Er würde endlich sehen, wie seine Begleiterin überhaupt aussah.

Beinahe war Notos versucht, sich aufzurappeln und nachzuschauen. Allein weil er sich ihre Verletzung ansehen wollte. Doch kaum dass sich dieser Gedanke in seinen Kopf geschlichen hatte, zwang er sich dazu, sich wieder zu setzen und erstmal durchzuatmen. Bei seinem Glück würde sie aufwachen, sobald er in ihrer Nähe war, und würde es bestimmt so missverstehen, dass er sie beim Schlafen beobachtet oder etwas ähnlich Seltsames getan hatte. Und das wollte er wirklich nicht riskieren. Stattdessen schloss er die Augen, versuchte seine Konzentration wieder auf ihre Aura zu richten. Es war deutlich einfacher, wenn er blind war und all die anderen Farben und irritierenden Körperkonturen und Gegenstände ausblenden konnte. Aber mit etwas Geduld funktionierte es auch im Dunkeln. Bald ließ er davon jedoch beruhigt ab. Sie lebte, atmete tief und gleichmäßig und ihre Verletzung sah recht gut aus. Das würde schon werden.

Für eine kleine Weile verharrte er noch in dieser Position, die Augen geschlossen und an den kühlen Höhleneingang gelehnt. Es war ein verlockender Gedanke, sich einfach noch für ein paar Minuten auszuruhen. Sich dem bleiernen Mantel der restlichen Müdigkeit hinzugeben. Er hatte gestern Nacht noch viel zu lange damit verbracht, sich zusammenzuflicken. Und gedankenverloren in den Himmel zu starren. Und Wache zu halten. Jedes Tier, welches sich verdächtig nahe an ihr Lager gewagt hatte, hatte ihn sofort aus seinem Dämmerzustand gerissen. Aber niemals blieben sie lange. Jaspers Präsenz und der Monsterkadaver hielten die meisten wohl auf Abstand. Er seufzte. Und ließ die Vernunft schließlich siegen.

Es bedarf ein wenig an Neuorientierung, bis sich Notos wieder mit der Lichtung vertraut machte. Der Bach war schnell gefunden und er nutzte ihn sofort, um sich die restliche Müdigkeit aus dem Gesicht zu waschen sowie die gestern benutzten Tücher zu säubern. Er war gerade dabei, die Stoffe auf einem Ast zum Trocknen aufzuhängen, da sah er aus dem Augenwinkel, wie sich sein Partner aus der Höhle trollte. Und verdächtig darauf zu achten schien, dass ihn niemand beobachtete. Etwas blitzte in seinem Maul auf. „Sir...", gab Notos im mahnenden Ton von sich. „Was trägst du da herum?" Der kleine Drache plusterte sich verschreckt auf, sah ihn lange an – und war mit einem Sprung in den Baumkronen verschwunden. Der Weißhaarige schüttelte schmunzelnd den Kopf. Er hoffte nur, dass Jasper keine von Nirahs Habseligkeiten stibitzt hat.

 

Ab dem Moment verbrachte der Ritter den frühen Morgen mit dem Trainieren. Als er vorhin einen Blick auf seine Wunde geworfen hatte, hatte er missmutig feststellen müssen, dass die Vergiftung vorangeschritten war. Inzwischen hatten die dunkelvioletten Adern seinen Rippenbogen leicht überschritten, waren seinen Brustkorb langsam nach oben geschlängelt. Wenigstens waren sie noch weit entfernt von seinen Schultern – und vor allem seinem Herzen. Vermutlich hatte er gestern doch etwas zu viel Energie in das Biest reingejagt. Die Vergiftung war zwar noch lange nicht lebensgefährlich, aber besser wäre es, das Zeug schnell aus seinen Körper zu bekommen.

Dieses Mal ließ er seine Hellebarde nahe beim Monsterkadaver liegen, zog stattdessen sein Schwert aus der Scheide. Hielt es gen Himmel, ließ die Klinge im Sonnenlicht aufblitzen. Lächelte dabei schwermütig, bevor er die Augen schloss und wartete. Die ersten Hiebe, die fielen, waren jedoch nicht schlagartig vollführt und von langen Zwischenpausen gekennzeichnet. Stattdessen gingen die Bewegungen fließend ineinander über, langsam und bedächtig. Ziellos. Es wirkte mehr wie ein stiller Tanz als wirkliches Training. Die Klinge verfolgte jeden einzelnen Lufthauch, durchschnitt diesen lautlos. Langsam gewann Notos einen Fokuspunkt. Das Bild von einer massiven, dunkelroten Aura tauchte in seinem Kopf auf. Sein Griff verstärkte sich. Er visualisierte den gestrigen Kampfverlauf. Was war gut verlaufen? Wo waren seine Schwachpunkte gewesen? Wie hätte er seine Technik verbessern können?... Wie hätte er es verhindern können, dass Nirah verletzt wurde?

Er verzog das Gesicht, presste die Lippen aufeinander. Seine Hiebe wurden präziser, schneller. Natürlich wusste er, dass es keinen Sinn machte, Vergangenem nachzutrauern. Aber es wäre genauso verkehrt, dies völlig zu ignorieren. Er hatte einen Fehler gemacht und den musste er sich eingestehen. Und dafür sorgen, dass ihm solche Fehler möglichst nie wieder unterliefen. Dieses Mal hatte seine Unachtsamkeit jemanden eine noch heilbare Verletzung am Fuß beschert. Das nächste Mal konnte seine Schwäche fatalere Auswirkungen haben.

Mit der Zeit kam Jasper hinzu, versuchte ihm auf seine Art zu helfen. Sein Partner kannte diese Art von Training zur Genüge und bald waren sie beide wieder in ihre bequeme Routine verfallen. Irgendwann bekam er am Rande seiner Wahrnehmung mit, dass sich eine ihm bekannte, flammenfarbene Aura dazugesellte, mit Abstand stehen blieb und sie beobachtete. Er unterdrückte ein Lächeln, die Augen weiterhin geschlossen, konzentrierte sich lieber auf seine Abfolge an Schwerthieben. Beinahe hatten diese etwas meditatives an sich. Mit der Zeit wäre er wohl wieder in einen fast tranceartigen Zustand verfallen, hätte seinen Kopf ausgeschalten und einfach nur seinen Körper reagieren lassen – da fiel auch schon der erste schnippische Kommentar. Unwillkürlich begann er zu grinsen. „Ich wünsche dir ebenfalls einen wunderschönen guten Morgen", antwortete er belustigt. Ein scharfes Surren folgte, als er mit dem Schwert einen Ast zweiteilte. Dann atmete er tief aus, steckte dabei das Schwert langsam wieder in die Schneide. Nur kurz öffnete er die Augen, hatte sich bereits fast schon wieder von ihr abgewendet als er verkündete: „Bin gleich da. Ich stelle schonmal die erste Frage: Wie geht es dir?"

Ungewohnt zielsicher wanderte er zu dem Leichnam des Biestes rüber. Er hatte es bereits am Morgen inspiziert, aber diese spezielle Art war ihm nicht bekannt. Er hatte ähnliche Monster gesehen, kleinere, mit schneeweißem Fell, damit sie sich besser im tiefen Schnee der Bergketten im äußeren Ring verstecken konnten. Dieses Exemplar hier war größer, hatte das dichte Fell stellenweise für eine verhornte Panzerung ausgetauscht und war generell von der Färbung her dunkler, mehr an die Schatten der Wälder angepasst. Nun, jetzt zierte das Fell zudem noch eine schwarze, blitzförmige Musterung und ein klaffendes Loch an der Unterseite des massiven Leibes.

Notos griff nach zwei Bündeln, welche neben dem gefallenen Biest lagen. Er hatte versucht, alle Pfeile von Nirah zusammenzusuchen. Viele davon hatte er vorsichtig aus dem Körper des Monsters ziehen müssen, bemüht, die Pfeilköpfe nicht zu zerstören. Die blutverschmierteren Exemplare waren bereits gereinigt und alle in zwei Gruppen unterteilt: Die Pfeile, die völlig intakt waren – zum Glück war dies beim Großteil so der Fall – und die, bei denen er sich unsicher war.

Mit beiden Bündeln in der Hand drehte er sich endlich zu seiner Begleiterin, schmunzelte dabei gutmütig, während er zu ihr schritt – und endlich Zeit hatte, sie ordentlich zu mustern. Er begann leicht vor sich hinzugrinsen. Da hatte er ja mit dem hitzigen Feuerkopf lustigerweise gar nicht so falsch gelegen. Das markanteste an ihr war auf jeden Fall ihr auffällig rotes Haar, welches seinen Blick immer wieder zu ihrem Gesicht ziehen wollte. Sie wirkte jung, zumindest jünger als er, was wohl auch ihrem Verhalten entsprach. Das Gesamtbild vermittelte aber schon einen völlig anderen Eindruck. Sein Kopf sagte: Sie ist ganz klar aus der Gilde der roten Wurzel. Sieh sie dir an! Das ist die Kleidung von Jägern. Praktisch, robust, für längere Aufenthalte in der Wildnis gedacht. Auf jeden Fall schon länger getragen, aber es würde seinen Zweck erfüllen. Wenngleich sie verdächtig wenig rot trägt und auf den ersten Blick keine Symbole der Gilde zu sehen sind.... Seine Intuition blieb ruhig, schien ihm nur ein einziges Wort zu vermitteln: Heilerin. Aber beide Stimmen waren nicht ganz korrekt. Sie war... einfach Nirah. Das Erscheinungsbild der jungen Frau, die vor ihm stand, passte perfekt zu der feurigen, unruhigen Aura, die manchmal von Ranken in den Farben der Wälder umringt wurde.

Notos entkam ein aufrichtiges, verhaltenes Lächeln: „Ich muss sagen, du bist genauso einzigartig wie..." wie deine Aura, vervollständigte sein Kopf. Doch er hielt inne, beendete den Satz lieber anders. „... wie ich es mir gedacht habe." Er hielt ihr die zwei Bündel hin, grinste dabei ausgelassen: „Ich habe übrigens deine restlichen Pfeile aufgesammelt. Die meisten müssten denke ich... in...Ordnung... sein?" Seine Stimme ebbte gegen Ende langsam ab. Nirah sah ihn mit einem undefinierbaren Ausdruck im Gesicht an. Sein Grinsen wandelte sich zu einem unsicheren Lächeln. Fragend runzelte er die Stirn, legte dabei den Kopf leicht schief. „...Was ist?" Hatte er was falsch gemacht? Die Heilerin blickte ihn derartig intensiv an, dass er instinktiv ein paar Schritte zurück trat. „Nirah? Warum starrst du mich so an?... Siehst du etwas was dir an mir gefällt... oder wie soll ich das interpretieren?" Der Versuch eines Witzes scheiterte an seinem eigenen zweifelnden Ton. Was war hier los?



Antworten Zuletzt bearbeitet am 05.09.2022 21:39.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 05.09.2022 01:30

Ich würde sagen, dein Wolf mag dich. Sein 'Necken' interpretierte sie nicht unbedingt als Zuneigung. Aktuell hatte Nirah eher den Eindruck, dass er großen Spaß an seinem Spiel mit ihr hatte. Aus irgendeinem Grund musste sie Notos einen Seitenblick zuwerfen. 
Die Frage war, war das Tier überhaupt ihr Wolf. So viel sie wusste, konnte er genauso gut auch rein zufällig auf sie aufmerksam geworden sein. Vielleicht hatte er sie bei der Jagd gewittert und irgendein abstruses Interesse an ihrem menschlichen Geruch entwickelt. War er noch jung, hatte er noch keine Erfahrung mit Menschen gemacht? Spürte er, dass sie ihrer Umwelt näher stand - ihn eingeschlossen - als ihren eigenen Artgenossen. Oder er hatte sich aufgrund von Jasper an sie geheftet. Wer wäre nicht neugierig auf dieses seltsame kleine Wesen? 
Wer es glaubte ... 

Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr wuchs ihre Überzeugung, dass sie nach Ausreden suchte. Dieser ... Wolf, sie hatte keinen anderen Namen dafür - er war niemals ein normaler Wolf - war derjenige aus Nirahs Vision. Wie er sich die ganze Zeit näherte, nur um direkt wieder zu entschwinden, entsprach exakt seinem Verhalten im Traum. Von der Augenfarbe ganz zu schweigen. 
Nur wenn es vorherbestimmt war, dass sich ihre Wege kreuzten, was war sein Ziel? Noch wichtiger, was war Nirahs Part in der ganzen Geschichte? Sie versuchte sich vorzustellen, was ihre Aufgabe war. Leider kam sie auf keine andere Idee, als abzuwarten. Bis die Botschaften deutlicher wurden oder der Wolf sich dazu bequemte, sich länger als einige Momente zu zeigen. Es wird sich alles fügen. Das war ja ganz klar ihre größte Stärke ... 
Nirah nahm sich vor, die Angelegenheit genauestens zu beobachten. Wenn sie schon nichts anderes tun konnte, so würde sie doch wenigstens die Augen offen halten. Auch könnte sie vermehrt meditieren, um sich möglichen hilfreichen Eingebungen zu öffnen. 

All das ging immer noch in ihrem Kopf vor, weshalb ihre Aufmerksamkeit nicht vollständig bei Notos lag. Trotz des versuchten Gesprächs. Sie wurde völlig in die Gegenwart gerissen, als dieser plötzlich nach ihrem Handgelenk griff. Zielsicher. Ihr Körper entzog sich ihrer Kontrolle und zuckte überrascht zusammen. Hättest du nicht einfach auf meine Frage antworten können, schoss es verärgert durch ihre Gedanken. 
Es war mitnichten das erste Mal, dass sie sich berührten. Doch alles bisher war notwendig oder zweckdienlich gewesen. Das hier fühlte sich seltsam vertraut und damit irgendwie unangenehm an. Nirah blieb völlig starr, als der Mann auch noch ihre Stirn befühlte, bevor er sich dem eigentlichen Gegenstand des Interesses zuwandte: ihrem Bein. 
"Das reicht." brachte sie leise heraus. Auf mehr als nur eine Weise. Das Zischen kam leider nicht so offensichtlich durch, wie beabsichtigt. Hatte sie Notos vorher noch fragend mit ihrem Blick fixiert, war es sie nun, die den Blick abwandte. 

Anfangs beobachtete sie noch jeden Handgriff des Fremden. Erst als Nirah überzeugt war, dass er tatsächlich wusste, was er tat, lehnte sie sich entspannt zurück. Die Augen geschlossen, das Bein ausgestreckt und locker, damit er ohne Probleme den Verband anlegen konnte, lag sie auf der Erde. Sie war beinahe schon eingeschlafen, als Notos ihr signalisierte, dass er fertig war. Mehr schlafend als wach krabbelte sie durch den steinernen Durchgang in das innere der Höhle. Das Licht des Feuers drang kaum in die beruhigende Dunkelheit. Nirah schlang ihren Mantel um sich und legte sich auf den Rücken. Das Ritual von zuvor würde sein Übriges dazu beitragen, dass sie nicht auskühlte.
Mit dem letzten bisschen Wachheit, das sie zusammenbringen konnte, meditierte sie, um ihre Heilung anzuregen. Sie dämmerte noch während ihres Zaubers, mit dem tröstlichen Rhythmus der Energien um sich herum, weg. 

Nirah war sich nicht sicher, ob sie noch schlief, als sich eine weitere Melodie in den vielstimmigen Chor mischte. Unruhig warf sie sich von einer Seite auf die andere. Sie öffnete sogar die Augen, nur um einen menschlichen Schatten aufrecht in der Nähe zu entdecken. Etwas daran war nicht so, wie es sein sollte. War ihr Begleiter noch wach?
"Geh schlafen, Notos. Wir werden unsere Kräfte brauchen morgen", murmelte sie im Halbschlaf. Dann drehte sie sich zurück auf die andere Seite und war sofort wieder weggetreten. Dabei verschwand jegliche Erinnerung an das kurze Erwachen.

Was als Nächstes folgte, brannte sich dagegen in Nirahs Bewusstsein ein, obwohl es mit Sicherheit ein Traum war. Er begann wie der letzte: Die blauen Augen umkreisten sie in völliger Schwärze, kamen immer näher. Sie erkannte wieder die Umrisse des Wolfes. An dem Punkt, wo er zuvor verschwunden war, blieb er stehen. Starrte sie an. Unendlich lange. Nirah streckte die Hand nach seinem Fell aus und griff ins Nichts. Wie dunkler Nebel löste sich seine Gestalt auf. Sie drehte sich um, noch immer gefangen in der undefinierbaren Umgebung. Nur um wieder in die leuchtenden Augen zu sehen. Dieses Mal waren es nur Augen, die ohne Anker, ohne Spur des dazugehörigen Wolfes vor ihr in der Luft hingen. Dort blieben sie. Und blieben, und blieben ... 

Als Nirah erwachte, dauerte es einige Augenblicke bis sie wusste, wo sie war. Und warum. All ihre Gliedmaßen fühlten sich schwer an. Sie spürte, dass sie zu lange geschlafen hatte. Es zeigte sich in der hartnäckigen Schläfrigkeit, die wie zähflüssiges Harz an ihr klebte. Ihr Bein pochte dumpf und erinnerte sie daran, dass sie es wohl nötig gehabt hatte.
Sie setzte sich auf, bemerkte da erst, dass sie alleine war. Keine Spur von Notos und Sir Jasper. Etwas stach in ihre Seite, bei ihrer Bewegung. Der Zahn des Monsters, der unter ihrem Gürtel klemmte. Moment ... waren es nicht zwei gewesen? Sie hatte die Trophäen gestern eingesammelt, um einen davon Notos zu geben. Das hatte sie ganz vergessen.

Sie ließ sich Zeit sich ausgiebig zu strecken und richtig wach zu werden. Fast hoffte sie, dass sich Notos und sein Gefährte über Nacht in Luft aufgelöst hatten. Es würde sie nicht wundern, wäre er abgehauen, wieder seinen eigenen undurchschaubaren Plänen folgend. Als sie aus der Höhle kroch, wurde sie eines Besseren belehrt. 
Dort stand er, mitten auf der einzigen freien Fläche, umgeben von dichtem Wald. Sein Gesicht war von ihr abgewandt. Sir Jasper war natürlich bei ihm. Scheinbar regungslos verharrte er mit dem Schwert in der Hand, bereit zum Schlag. Dann ließ er seine Waffe in einer geschmeidigen Bewegung auf einen unsichtbaren Feind niedergehen. 

Langsam ging Nirah humpelnd auf ihn zu. Mit verschränkten Armen blieb sie schließlich ein paar Schritte - ein gewisser Sicherheitsabstand war nötig - von ihm entfernt stehen und beobachtete ihn. Er kämpfte nicht nur gegen die Luft, sondern auch gegen den ein oder anderen Ast oder Strauch. Mal hoch, mal tief, in alle Richtungen. Sir Jasper schien ihm behilflich zu sein, indem er sich ab und zu auf einen Ast setzte oder gar einen aus der Luft herabfallen ließ. Es war erstaunlich, wie jemand mit geschlossenen Augen solch ein Training absolvieren konnte. 
Nirahs Neugier kehrte mit aller Macht zurück. Heute war der Tag der Antworten. Sie sah noch ein wenig zu, bis sie sich räusperte. "Herzlichen Glückwunsch. Du hast soeben ein ganzes Rudel von hilflosen Büschen um ihr Leben gebracht. Ich bin beeindruckt." sagte sie mit einem mühsam unterdrückten Grinsen. 
"Bist du endlich fertig? Wir müssen reden." 







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Antworten Zuletzt bearbeitet am 05.09.2022 01:56.

Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 03.09.2022 17:14

Beinahe hätte Notos die Heilerin nach ihrer unbedachten Antwort gereizt angefahren. Ja, sie lebte. Noch. Dieses Mal hatte aber verdammt wenig gefehlt, ihr Leichtsinn hätte sie fast vorzeitig ins Grab gebracht. Allerdings schaffte er es nicht, seine Gedanken laut auszusprechen. Er wäre ein Hypokrit gewesen, wenn er das getan hätte – schließlich hätten ihre Worte genauso gut seine eigenen sein können. Selbst jetzt konnte er noch zu gut die helle, entgeisterte Stimme hören, zitternd und den Tränen nahe. Du hättest sterben können, Notos! Bist du dir dessen überhaupt bewusst?! Und immer war seine Antwort darauf nur ein beschwichtigendes Lachen gewesen. Aber es ist doch nichts passiert! Er seufzte tief und lautlos auf. Und beließ es nur bei einem scharfen Seitenblick, statt Nirah eine Predigt zu halten. Die Götter schienen in letzter Zeit wieder viel Spaß daran zu haben, ihm einen Spiegel vorzuhalten...

Leicht den Kopf schüttelnd, versuchte er Ablenkung darin zu finden, indem er sich nützlich machte und seine eigenen Heiler-Utensilien durchforstete. Und sofort mitten in der Bewegung erstarrte, kaum dass das Wort „Danke" erklang. Angespannt hielt er die Luft an. Oh bitte sag nicht, dass sie vor hatte, sich bei ihm wegen dem Kampf... Nein, sie bedankte sich dafür, dass er zugehört hatte. Sichtlich erleichtert atmete er wieder aus, schmunzelte dabei über sein eigenes Verhalten. Ein Glück hatte sie sich nicht dafür bedankt, dass er sie vorhin knapp vor dem tödlichen Treffer schützen konnte. Einerseits, weil er sich dann ernsthafte Sorgen um ihren Zustand machen müsste. Vielleicht auch einen See für sie suchen gehen sollte. Aber vor allem hätte es nur Unglück gebracht, vorzeitige Dankesreden zu halten. Diesen Dank konnte er allerdings noch akzeptieren.

Er nickte ernst, mit einem Anflug eines Lächelns. „Natürlich. Ich mag vieles nicht wissen, aber ich bin gewillt zu lernen." Und sich ein eigenes Bild zu machen. Nur weil er die Gebräuche oder Denkweisen dieses Gebietes nicht kannte, bedeutete es nicht, dass diese unsinnig oder sogar falsch waren. Und selbst wenn er ihnen nicht zustimmen sollte, so waren sie zumindest wichtig für Nirah. Das mindeste, was er tun konnte, war es, ihren Wunsch zu respektieren und die Regeln dieses Ortes zu achten.

Bei dem darauffolgenden, aufgebrachten Wortschwall, den der Weißhaarige über sich ergehen lassen musste, kehrte dann aber doch ein Teil seiner vorherigen Ausgelassenheit wieder zurück. Mit hochgehobener Braue beobachtete er amüsiert das wilde Aufflackern der feurigen Aura, diesmal jedoch eher einer Mischung aus Freude und Missmut verdankend als ihren Wunden. „Ja, es gibt wichtigere Dinge. Zum Beispiel die Versorgung deiner Verletzung. Um deinen Wolf kannst du dir auch Gedanken machen, wenn du wieder bei Kräften bist.", meinte er mit einem gutmütigen Schmunzeln. Aber er hatte keine Chance, Nirah in irgendeiner Weise dabei zu unterbrechen, sich über ihren nächtlichen Besucher weiterhin auszulassen. Immerhin nahm sie seinen Lederriemen an.

Noch für eine langen Moment beobachte Notos sie mit einem warmen Blick dabei, wie sie den Riemen um ihr Bein umband und dabei unentwegt über den Wolf grübelte und schimpfte. Schließlich wandte er sich mit einem sanftmütigen Lächeln ab, beobachtete lieber wieder den Waldrand, seine Waffe notfalls griffbereit. Nach einer Weile wendete sie sich mit einer Frage direkt an ihn, wenngleich sie wohl keine richtige Antwort erwartete. Nicht dass ihn das daran hindern würde, ihr dennoch seine Meinung zu unterbreiten. „Ich würde sagen, dein Wolf mag dich.", verkündete er schmunzelnd. „Was sich liebt das neckt sich, sagt man ja. Aber vielleicht ist es auch eine Art Prüfung? Bei mir und Jasper verlief es zu Anfang nicht unähnlich." Doch das war wohl eine längere Geschichte. Und wo man vom Übeltäter sprach.... Sein Partner kehrte zurück.

Eine Zeit lang herrschte danach Ruhe. Vermutlich, weil seine Begleiterin zu beschäftigt damit war, ihre Wunde zu versorgen. Sein Partner landete neben ihm und der Weißhaarige spürte den verurteilenden Blick, der ihm zugeworfen wurde. Weil sich der Drache seinetwegen die Pfoten nass machen musste. Instinktiv begann er Jasper entschuldigen hinter den Ohren zu kraulen. Morgen würde er sich auch bei ihm noch bedanken müssen. Schließlich schaltete sich Nirah doch wieder ein. Sie schien seinen Vorschlag, sie zu verarzten, eher skeptisch zu betrachten. Verständlich. „Ich habe mir während meiner Blindheit schon öfters Verbände selber anlegen müssen. Man kann überraschend viele wichtige Dinge erledigen, wenn man nichts sieht." Wobei das ja nicht stimmte, dass er überhaupt nichts sehen konnte. Sagte die flimmernde Aura hinter ihm, die dieselbe Farbe von hellen Flammen trug. Notos lächelte nur sacht auf ihre Erkenntnis. Zumindest so lange, bis sie sich erneut an ihn wandte.

Donnerschwinge. Sieh mich an. Er schreckte zusammen, bevor er sich zögerlich umdrehte. Sein Körper reagierte schneller als ihm lieb war. Wie hätte er ihre Aufforderung auch ignorieren können, wenn die Heilerin diese wie einen Befehl formulierte, sogar seinen Erkennungsnamen benutze... Für einen Moment beobachtete er sie schweigend dabei, wie sie mit den Händen gestikulierte, bei ihrer Bitte offensichtlich zögerte – und statt ihr eine Antwort zu geben, schnellte seine Hand nach vorne, packte zielsicher aber sanft ihr Handgelenk. Ohne großen Druck, nur genug, um sie in ihrer wedelnder Bewegung zu stoppen. Kurz haderte er, beugte sich dann leicht vor und berührte mit seiner anderen Hand für einen winzigen Moment ihre Stirn, als würde er damit ihre Temperatur abschätzen wollen. Und bewegte dieselbe Hand dann noch im selben Atemzug nach unten zu ihrem Bein, tippte behutsam mit den Fingern knapp an den Rändern der Wunde, ohne diese jedoch direkt zu berühren. Verhalten lächelnd hob er den Kopf an, sah ihr dabei unsicher in die Augen. Seine Stimme klang dafür erstaunlich gefasst „Das müsste reichen, richtig?"

Nicht viel später hatte er bereits das nötige Verbandsmaterial in der Hand. Natürlich wusste er, wie man Druckverbände anlegte. Wenngleich es ein wenig ungewohnt war, den mal ausnahmsweise jemanden anderen anzulegen. Während seine Begleiterin sich bereits zurücklehnen und zu ihrer wohlverdienten Ruhe kommen konnte, machte er sich ans Werk. Notos arbeite dabei langsam, aber mit geübten Griffen – und achtete genaustens darauf, dass er die Heilerin nie zu lange direkt berührte. Beinahe machte er einen scheuen Eindruck. Dabei wollte er damit eigentlich hauptsächlich verhindern, dass sich ihre Auren zu sehr überlappten. Er spürte nur zu gut, wie sich dabei jedes Mal wieder das satte Grün an seinen Fingerkuppen zu sammeln begann. Damit musste er vorsichtiger werden. Um seiner Willen, aber auch wegen Nirah – die magischen Überreste seiner Verletzung könnten in diesem Zustand Gift für sie sein.

Nicht, dass ihn das aufhalten würde. Natürlich ließ er es sich nicht nehmen, immer mal wieder wie zufällig sachte über eine der Verbandschichten mit den Fingern zu fahren. Immer, wenn er sich sicher war, dass ihn seine Begleitung nicht beachtete und immer auch nur mit der Hand seiner unverletzten Seite. Als er fertig war, entfernte er noch vorsichtig den Lederriemen und gab schließlich kurz Bescheid, dass er seinen Teil der Behandlung abgeschlossen hatte. Und störte sie nicht weiter, gab ihr damit die Möglichkeit, sich endlich dem Schlaf hinzugeben.

Im Gegensatz zu ihm. Etwas umständlich tastete er nach seinen gesammelten Ästen, warf das Holz ins Feuer und kroch wieder nahe zum Höhlenausgang. Leise, mit zittrigem Atem, lehnte er sich an die steinerne Wand. Jasper schlich sich auf seinen Schoss schnupperte dabei besorgt an seiner Seite. Notos schenkte seinem Partner mit zusammengebissenen Zähnen ein aufmunterndes Lächeln. Er würde wohl noch eine Weile brauchen, um sich zu sammeln. So gut es ging richtete er sich sitzend in der Höhle auf, versuchte in einen ähnlichen meditativen Zustand wie bei seiner Ankunft in diesen seltsamen Wäldern zu verfallen und dabei gleichzeitig Wache zu halten. Dieses Mal gelang es ihm erst nach mehreren Anläufen und selbst dann hatte er Mühe, seine Konzentration aufrecht zu halten. Er fand erst Ruhe, als er mit der Zeit zu summen anfing. Eine ihm zu gut bekannte Melodie, ruhig und so leise, dass man seine Stimme beinahe kaum von den restlichen Geräuschen des Waldes heraushören konnte. Und so verweilte der Ritter in dieser bizarren Situation noch für eine ganze Weile, während die Ansätze eines friedlichen, einschläfernden Singsangs mit den Lauten der Umgebung verschmolzen.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 04.09.2022 21:21.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 02.09.2022 17:02

Während Nirah sich am Feuer aufwärmte, wurde ihr Kopf langsam aber stetig etwas klarer. Sie entschied, niemals von dem zu reden, was eben vorgefallen war. Es war schon genug, der Schande, dass sie sich so hatte überrumpeln lassen. Dabei war sie normalerweise die Vorsicht in Person. Auf keinen Fall würde sie darauf herumreiten, dass sie sich in ihrer Verwirrung verzweifelt an einen völlig fremden Mann geklammert hatte, wie ein hilfloses Kind. Insgeheim war sie wirklich froh über seine wortlose Hilfestellung, die er ihr bereitwillig entgegengebracht hatte. Und er war warm, angenehm warm. In dem Moment hatte sie seine Nähe genauso willkommen geheißen wie sein Angebot, sie zu tragen. Diese kleine Sicherheit, hatte ihr enorm geholfen, die grässliche Übelkeit zu beruhigen. Das musste er allerdings nicht wissen. Es war ohnehin abzuwarten, wie sehr er es ihr unter die Nase reiben würde, dass er ihr das Leben gerettet hatte. 

Überrascht sah sie auf, als Notos zugab, sich ihre Moralpredigt von vorher zu Herzen genommen zu haben. Wer hätte das gedacht? "Ich lebe noch, oder nicht?" gab sie kühl zurück. Außerdem hätte ich bestimmt auch ohne dich einen Weg gefunden. Es lag ihr auf der Zunge. Sie holte schon Luft, um es auszusprechen. Dann zwang sie sich, es nicht zu tun. Es stimmte einfach nicht. Das war ihm mit Sicherheit genauso klar wie ihr. Sie hatte gerade keine Energie für ihre übliche Großspurigkeit. "Danke ... fing sie an. Was sie eigentlich zu sagen gewillt war, blieb ihr im Hals stecken. "... dass du daran gedacht hast, was ich vorhin gesagt habe." 
Sofort hielt sie Ausschau nach dem Tuch und fand es auch auf dem Boden. Leer. Keine Spur von dem gebratenen Hasen. Dafür schaltete sich Sir Jasper ein. Es war nicht nötig, dass Nirah mehr tat, als sich etwas aufzurichten und nach vorne zu beugen. Sie identifizierte den Abdruck mit nur einem Blick. Natürlich. Was konnte es auch anderes sein, als der eines Wolfes. Ächzend ließ sie sich zurücksinken. Das hatte nicht gut getan. 

"Wichtigere Dinge?", fragte sie entgeistert. "Das ist überaus wichtig! Ich weiß ganz genau, was uns einen Besuch abgestattet hat. Dieses Mistvieh von einem Wolf!" stellte sie fest. Eine Mischung aus Frustration und freudiger Unruhe erfasste sie. Was gab es wichtigeres als den Wolf, der sich zu ihren persönlichen Nemesis entwickelt hatte?
"Er verfolgt mich, ich sage es dir. Hat mich nach draußen gelockt, um uns unseres Abendessens zu entledigen. Ich weiß nicht, wie das sein kann, aber das war volle Absicht. Ich bin mir ganz sicher." versuchte sie ihm ihre Aufregung zu erklären. Der Wolf existierte! Dieses Mal hatte er endlich einen Beweis hinterlassen. Beiläufig nahm sie das Lederband entgegen, ganz in ihren wirren Gedanken gefangen. Wieso? Woher kam er? Was hatte sie falsch gemacht, damit der Wolf sie in den sicheren Tod schickte? Sie kam gar nicht mehr dazu, Notos zu erklären, dass sie sehr wohl wusste, warum man Wunden abband. Es ging unter in ihrem inneren Chaos. Sie nutzte das Band, um es oberhalb der Verletzung, knapp unter dem Knie, um ihr Bein herum zu legen, es zuzuziehen und zu verknoten.  Es war gefährlich, eine Gliedmaße zu lange abzubinden. Die schlechte Durchblutung konnte eigene Probleme hervorrufen. Bis die Wunde versorgt war, war es jedoch keine schlechte Idee. 
"Was will er bloß von mir, Notos?", murmelte sie leise. Als ob gerade er eine Antwort darauf hätte. 

Nirah wollte gerade anfangen ihre Kräutermixtur vorsichtig aufzutragen, als ihr klar wurde, warum Notos Sir Jasper wegschickte. Es wäre weitaus besser, die Wunde und auch die Haut darum herum vorher zu säubern. Sie konnte wirklich nicht ganz bei Verstand sein, wenn sie schon anfing, die grundlegendsten Bestandteile ihrer Ausbildung zu vergessen. Sie sollte sich schleunigst ausruhen. Sonst würde sie morgen in etwa eine so große Hilfe bei der Reise zum Dorf sein, wie Notos es heute gewesen war. Sie legte den Behälter zur Seite, zwang sich zur Geduld, bis der Katzenvogel wieder da war. Sie zupfte derweil ein paar Stofffetzen aus der Wunde und zog ihren Schuh aus, um alles vorzubereiten. 
"Nichts für ungut, aber verstehst du denn etwas von solchen Dingen?", fragte sie auf seinen Vorschlag sie zu verarzten hin. Ein paar Grundlagen schien er zu wissen. Sich schon einmal hinlegen und ihn einfach machen lassen, klang verlockend. Jede Bewegung machte ihr zu schaffen. "Darüber hinaus siehst du doch sowieso nicht, was du tust."
Sie hielt inne, erstarrt in dem Gedanken, der sich ihr aufdrängte. "Das stimmt nicht. Nicht wahr?" stellte sie fest. Sie hatte schon länger den Verdacht, dass er mehr sah als der gewöhnliche Blinde. Der Kampf hatte es eindeutig bestätigt. 

Nirah hatte inzwischen mit den Fingerspitzen vorsichtig das nasse Tuch ergriffen, das Sir Jasper im Maul trug, als er wieder den Lagerplatz betreten hatte. Eine weitere Verletzung konnte sie nicht gebrauchen. Inzwischen blutete es kaum noch. Sie machte sich sogleich daran, Blut und Dreck wegzutupfen. Dabei sog sie mehrmals scharf die Luft ein, wenn sie sich damit weitere Schmerzen zufügte. Doch es musste getan werden. Schließlich sah ihr Bein deutlich besser aus. Sie trug die Kräutersalbe auf die Wundränder auf und war zufrieden mit dem Ergebnis. 

"Donnerschwinge. Sieh mich an." forderte sie Notos auf, der seinen Kopf beinahe scheu abgewandt hatte. Ihre Stimme war ausnahmsweise einmal von ernster Ruhe erfüllt. "Wie viel siehst du?" Nirah wedelte mit den Händen auf sich deutend, um ihre Worte zu unterstützen. Sie fragte sich selbstverständlich auch, wie es überhaupt dazu kam, dass er irgendetwas sehen konnte. Doch das musste warten. Sie hatte keine Lust, das ewige Hin und Her in dem Spiel um Antworten heute noch einmal zu beginnen. Sie hatten bereits festgelegt, dass sie sich austauschen würden. Sein Sehvermögen würde auf die Liste ihrer zu beantwortenden Fragen wandern. 
"Wenn es genug ist ... Also ich ..." Sie zögerte einige Sekunden lang. "Ich wüsste etwas Hilfe mit meinem Bein sehr zu schätzen", sagte sie so leise, dass sie sich selbst nicht sicher war, ob sie es wirklich gesagt hatte. Sie war so müde. Am liebsten hätte sie sich auf der Stelle zusammengerollt und geschlafen. 



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Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.09.2022 00:46.

Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 31.08.2022 20:30

Notos zweifelte keine Sekunde daran, dass Nirah laufen konnte. Die bessere Frage war eher, ob sie laufen sollte. Und da lautete die klare Antwort: Nein, das war eine absolut idiotische Idee. Vor allem bei einer starken Beinverletzung wie der ihren. Sie sollte liegen, belehrte ihn seine innere Stimme, liegen und die Füße hoch lagern. Sonst fließt nur noch mehr Blut nach unten und aus ihrer Wunde. Er ignorierte diese Stimme und die darauffolgenden Gewissensbisse, so sinnvoll das Argument auch klang. Er kannte diese Situationen ja selbst zu gut – er würde es ebenfalls niemals freiwillig zulassen, dass ihn jemand in einem Moment der Schwäche auffindet und sich zu drastischeren Hilfsmaßnahmen verpflichtet fühlt.

So schwieg der Weißhaarige also, unterdrückte nur ein Augenrollen und half ihr auf. Und wäre eigentlich gerne sofort zum Lager gegangen, aber die Heilerin hatte andere Pläne. Es kostete Notos sichtlich Mühe, ihr auf ihre Anfrage lediglich einen unzufriedenen, vorwurfsvollen Blick zu schenken. Eigentlich wäre spätestens das der Punkt gewesen, an dem er ihre Bitte ignorieren und trotz jeglicher Proteste hochhieven und zurück zum schützenden Licht des Feuers bringen sollte. Ich hoffe, du meinst mit nachher jetzt gleich, Notos. Die Wunde ist tief. Ach, aber lass uns einen Umweg zu dem gefallen Biest machen, welches mich fast umgebracht hatte, Notos. Ich werde dir zwar nicht erklären, warum ich hinwill, aber dafür wird sich der Blutverlust bestimmt lohnen, glaub mir!

Der Drachenritter grummelte in Gedanken frustriert vor sich hin, während er darauf wartete, dass seine Begleiterin endlich wieder bereit war, weiterzulaufen. Naja, mehr oder weniger. Ihre Aura, die schon zuvor unruhig zu flimmern begann, flackerte plötzlich kurz auf. Er spürte, wie Sir Jasper auf einmal überrascht abhob und vor ihm auf dem Boden landete. Zeitgleich landete an seiner statt eine Hand auf seinen Schultern, die Finger fest in seine Kleidung gebohrt. Wortlos ergriff er diese, machte sich ein wenig kleiner und platzierte ihre Hand auf seine andere Schulter, damit sie ihren Arm um ihn legen konnte und auf diese Weise mehr Halt fand. Mit seiner anderen Hand versuchte er sie an ihrer Seite zu stützen – so gut es mit einer Hellebarde in der Hand eben ging. Keine Zurechtweisung, nicht mal ein einzelner stichelnder Kommentar kam über seine Lippen, als er sie zum Lagerfeuer führte. Die Augen geschlossen sah er, wie sich ein verräterischer grüner Schimmer auf seine eigene, sonst so intensive blaue Aura legte. Direkt unter seinen Fingerspitzen. Ein kleiner Hauch von sanfter Wärme umspielte diese. Er konnte sich nicht dazu bringen, diese natürliche Reaktion seines Körpers zu unterbrechen. Selbst wenn es seinem eigenen Zustand nicht wirklich half. Es war nur eine kleine Heilung. Sicherlich nicht stark genug, um ihre Verletzung zu heilen. Aber es würde helfen, sie bei Bewusstsein zu halten, vielleicht auch ihre Schmerzen zu lindern.

Im Lager angekommen setzte er Nirah vorsichtig auf dem Boden ab, ließ sich danach selber wieder am Eingang nieder, doch diesmal darauf bedacht, mehr in ihrer Nähe zu verweilen. Während Nirah ihre Wunde inspizierte, durchsuchte Notos zeitgleich seinen eigenen Heilerbeutel. Neela und Aryll hatten ihn genötigt, immer wenigstens ein paar der notwendigsten Heileruntensilien bei sich zu tragen. Da er aus den meisten Aufträgen nicht völlig unverletzt rauskam. Nach einem Moment des ziellosen Suchens, zog er ein kleines, zylinderförmiges Fläschchen aus der weichen Polsterung. Betrachtete es nachdenklich. Und steckte es wieder ein. Er musste nicht sehen, um die kieselsteingroßen Stücke von Jade und Bernstein am Grund des Glases zu spüren. Sicherlich hätte er die Tinktur einnehmen können. Oder Nirah anbieten können. Geholfen hätte es in beiden Fällen, wenngleich eine orale Anwendung bevorzugt wurde. Aber entschloss sich dagegen, so sehr das unterschwellige Brennen seiner Seite ihn dazu auch verlockte. Neela hatte gesagt, er solle es nur in absoluten Notfällen verwenden. Die Medizin war stark, aber kostbar. Und keine ihrer Verletzungen war momentan lebensbedrohlich. Er würde es aushalten. Außerdem hatte er sowieso nach etwas anderem gesucht.

 

Das weitere blinde Suchen des Weißhaarigen wurde von Nirahs Frage unterbrochen. „Ich habe das Fleisch auf ein Tuch gelegt", meinte er abwesend, nahm das forschende Abtasten seines Beutels dabei wieder auf. „Wollte es nicht einfach auf den erdigen Boden legen, aus Respekt zum Tier halber. Hätte dich fast das Leben gekostet." War Notos' nonchalante Antwort wohl nicht sonderlich hilfreich, so lieferte sein Partner mehr Ergebnisse. Das Federbündel hatte sich seit ihrer Ankunft erst mit der intensiven Fell- oder eher Federpflege beschäftigt. Doch nun war ein unterschwelliges Knurren zu hören, als Jasper nahe von einem Abdruck im weichen Erdboden kratzte. Der Ritter mochte zwar nicht sehen, was sein Partner tat, interpretierte das feindliche Verhalten jedoch auf seine Weise. „Vielleicht hatten wir ja noch einen anderen Besucher hier. Aber wir haben wohl momentan wichtigere Dinge zu klären, nicht wahr?" Und damit hielt er Nirah eine Art Lederriemen hin. „Zum Abbinden, damit die Wunde nicht mehr so stark blutet", erklärte er ruhig. Dann pfiff er leise seinen Partner zu sich und hielt ihm ein Stück Stoff hin. „Würdest du es bitte gut mit Wasser tränken? Du bist weitaus schneller am Bach als ich."

Der kleine Drache ließ von dem Knurren ab, wechselte mit schief gelegtem Kopf einen forschenden Blick zwischen den beiden Menschen, nahm dann jedoch vorsichtig mit den Zähnen seinem Partner das Tuch ab. Kurz darauf war er wieder im Dunkeln verschwunden. Notos saß währenddessen von der Heilerin abgewandt, betrachtete wachend den Waldrand. Wirklich konzertieren konnte er sich jedoch nicht. Das unstete Flackern der feurigen Aura hinter ihm machte ihn unruhiger, als er zugeben wollte. Dabei war ihre Wunde nicht mal lebensgefährlich. Noch nicht. Änderte nichts daran, dass ihn ihr Zustand mehr besorgte als sein eigener. Wahrscheinlich lag es nur daran, dass er sich die Schuld für ihre Verletzung zuschob. Nach einer Weile des Schweigens, erhob der Weißhaarige schließlich verhalten die Stimme, ohne die Heilerin dabei jedoch anzusehen: „Sag, darf ich danach den Verband anlegen? Es ist vielleicht ein wenig einfacher und du könntest dich dabei schonmal hinlegen..."



Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.10.2022 16:47.

Saphyr

26, Weiblich

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Beiträge: 1064

Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 30.08.2022 02:24

Nirah ließ kraftlos den Bogen sinken. Sofort bemächtigte sich ein erschöpftes Zittern ihrer Muskeln. Nicht unbedingt von der Anstrengung, auch wenn es sie trotz ihrer Erfahrung durchaus gefordert hatte, ihre fünfzehn Pfeile in so kurzer Zeit zu verschießen. Mit einem Mal bröckelte die eiserne Selbstbeherrschung, die sie befähigt hatte, das Monster zielsicher zu treffen. Sie hatte sich verzweifelt an die bloße Notwendigkeit geklammert, ihren Körper ruhig zu halten, den Atem stetig. Trotz oder gerade wegen der Gefahr, die noch immer lautstark wütete. Noch wichtiger, trotz der Schmerzen. Irgendwie hatte sie es geschafft, das Feuer in ihrem Bein zu ignorieren. Vergessen hatte sie es keine Sekunde lang. Es hatte ohne Pause an ihrer Kontrolle genagt, immer bereit, sie zu brechen.
Jeder Fehler hätte im schlimmsten Fall Notos in Gefahr bringen, im besten Fall verhindern können, dass ihre Teilnahme am Kampf irgendeinen nennenswerten Unterschied machte. Glücklicherweise hatten sich Notos und Jasper aus der Schusslinie gebracht und ihr damit das Leben deutlich einfacher gemacht.

Sie verlagerte das Gewicht auf ihr unversehrtes Bein. Sie konnte es sich nicht erlauben, am Boden zu kauern. Nicht, wenn das Monster noch unter den Lebenden weilte. Wer wusste schon, ob es in seiner Wut noch einmal das erwählte Opfer ändern würde. Wobei sie anzweifelte, dass sie noch schnell genug ausweichen könnte.
Wenigstens zögerte Notos nicht, auf sie zu hören. Seine Waffe leuchtete heller auf und er stürzte sich auf das blinde Monster. Sie hatte zuvor kaum Zeit gehabt darüber nachzudenken, aber es war nicht normal, dass jemand eine solche Elektrizität erzeugen konnte. Genau genommen, hatte sie noch nie von jemandem gehört, der das beherrschte. Es musste Magie sein. Nur wie ...? Nirah nahm sich vor, ihn auf diese Fähigkeit anzusprechen. Für jetzt gerade ... Es war vermutlich ein absoluter Glücksfall, dass er sie besaß. Wenn sie sich vorstellte, wie viel schwerer der Kampf gewesen wäre, ohne die Möglichkeit, dem Monster, mit etwas anderem als purer Waffenkraft entgegenzutreten ... Es hielt so schon eine Menge aus. Als müsste er es noch beweisen, blitze plötzlich die gesamte Kreatur auf. Das schiere Ausmaß dessen großer Gestalt wurde ihr erst jetzt klar. Was wäre wohl geschehen, wenn sie ganz auf sich alleine gestellt auf dieses Monster getroffen wäre?

Kurz darauf senkte sich Stille über den Wald herab. Nirah sah gerade noch, wie das Wesen zusammenbrach, da sank sie selbst schon zu Boden. Die Willenskraft, mit der sie sich aufrecht gehalten hatte, war schlagartig verschwunden. Tot. Es war tot. Sie würden leben. Hoffentlich ohne größere Schäden. Sie inspizierte direkt ihre Verletzung. In der Dunkelheit ließ sich allerdings unmöglich sagen, wie tief es war. Tief, sagte ihre innere Stimme.
Sie wusste nur, dass sie noch immer zu stark blutete. Sie musste unbedingt so schnell wie möglich die Blutung stoppen. Es schwächte sie mit jedem Moment mehr. 

Als Notos zu ihr kam, saß sie schwer atmend und mit geschlossenen Augen dort und versuchte mit Atemübungen den Schmerzen beizukommen. Mit mäßigem Erfolg. Sie nahm seine Entschuldigung wahr, verstand sie aber nicht. Der Mutter sei Dank, war er hier gewesen! Das hätte alles ganz anders ausgehen können. Ein Teil von ihr beharrte darauf, dass das gar nicht erst passiert wäre, hätte Nirah ihn nicht getroffen. Dann schliefe sie jetzt bereits in ihrem Bett. Wohlgemerkt in einem warmen, bequemen Bett ohne Fremde und ohne Wölfe. Der Rest war lediglich dankbar über die heldenhafte Rettung. Oh, auf keinen Fall würde sie ihm das ...
Ihr war kalt. Das war kein gutes Zeichen. Die Erkenntnis brachte sie dazu, die Augen zu öffnen und ihren Blick zu fokussieren. "Ich hoffe, du meinst mit nachher jetzt gleich. Ich muss die Blutung stoppen. Es ist tief." fasste sie mit zusammengebissenen Zähnen knapp ihre Analyse zusammen. Alleine beim Gedanken daran, aufzustehen, protestierte alles in ihr. 
In diesem Moment klang es einfach himmlisch, die kurze Strecke nicht eigenständig bestreiten zu müssen und getragen zu werden. Ganz egal, wer sich anbot.
"Ich. Kann. Laufen." presste Nirah giftig hervor, während sie sich nach oben zog. 

Mehr humpelnd als gehend, hing sie an Notos' Hellebarde. In dem Moment als sie aufgestanden war, hatte sich eine hartnäckige Übelkeit in ihr breit gemacht, die sie fast so unangenehm fand wie die Schmerzen. Sehr zum Leidwesen des Mannes, hatte Nirah trotz allem darauf bestanden, kurz beim Leichnam des Monsters Halt zu machen, indem sie sich mit einem gemurmelten "Warte." geweigert hatte, weiterzulaufen. Wenigstens ein paar Pfeile wollte sie über Nacht bei sich haben. Sie zog einen nach dem anderen heraus. Drei. Das musste reichen. Für mehr hatte sie keine Energie. Sie legte sogar noch dem Monster für einige Sekunden die Hand auf dem Kopf, auch wenn sie die Segensworte dieses Mal kurz hielt und nicht laut aussprach. 
Bevor sie sich wieder erhob, sah sie etwas zwischen den Pflanzen aufblitzen. Der Reißzahn, den sie abgeschossen hatte. Sie streckte sich danach aus und nahm ihn an sich. Einige Meter weiter stolperte sie beinahe über den zweiten. Auch diesen nahm sie mit.

Dann folgte sie Notos ohne weitere Extrawünsche. Fast.
Das mehrmalige auf und ab, hinknien und aufstehen, hatte die Übelkeit, die auf ihren Magen drückte, deutlich verstärkt. Kurz bevor sie das Lager erreichten, streikte ihr Kreislauf. Nicht hinfallen. Nirah spürte, wie ihre Sicht verschwamm, ihre Umgebung wankte. Sich keinesfalls die Blöße geben. Verdammt, sie hatte noch nie gut mit starken Schmerzen umgehen können. 
Anstatt an die Hellebarde klammerte sie sich auf einmal an Notos' Schulter. Gerade in dem Moment, als ihre Knie drohten nachzugeben. So bewahrt vor dem Zusammenbrechen, ohne über ihren Stolz springen zu müssen und doch danach zu fragen, getragen zu werden, ließ sie sich zum Lagerfeuer schleifen, wo sie endlich sitzen bleiben konnte.

Es dauerte ein wenig, bis sich ihr Schwindel stabilisiert hatte. Sobald sie konnte, zog sie das, was vom Stoff ihres Hosenbeins übrig war, vorsichtig hoch, damit sie sich die Wunde im Schein des Feuers genauer ansehen konnte. Es war tief. Dort wo das Untier seine Klauen in ihr Bein gegraben hatte, schien es am tiefsten zu sein. Das meiste Blut stammte jedoch von den langen Striemen, die sich von der Wade herab das Bein herunterzogen. Als es zur Seite gerissen worden war und die Ranken zerstört hatte, hatte es leider auch einen großen Teil ihres Fleisches erwischt. 
Nirah begann zittrig in ihrem Beutel zu kramen. Die Salbe. Ob sie die Blutung einer Wunde dieser Größe so schnell stoppen würde, war fraglich, aber ihr blieb nichts anderes übrig. Sie würde ihre Fähigkeiten einsetzen und dann einen Verband anlegen fürs Erste. Das sollte ausreichen, dass sie keine gefährlichen Mengen Blut verlor. Es würde heilen, auch wenn es ein wenig Zeit brauchen würde.
Sie hatte gerade geschafft, die Salbe herauszusuchen, als ihr Blick auf das leere Feuer, nein den generell leeren Platz fiel. Natürlich war Notos da ...
"Wo hattest du das Fleisch hingelegt?", fragte sie argwöhnisch. 



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Antworten Zuletzt bearbeitet am 30.08.2022 22:00.
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